Partizipation und Wissenschaft

Wohnen wandelt Mobilität?
Wie gemeinschaftliche Konzepte eine neue Mobilitätskultur ermöglichen

Jutta Deffner

Wohnen und Mobilität sind im Alltag eng verknüpft – neue Wohnkonzepte ermöglichen, dass visionäre Ideen des Zusammenlebens Realität werden. Durch nachbarschaftliches Car- und Bikesharing oder Gemeinschaftsräume und gemeinschaftliche Freiflächen zeigen junge Genossenschaften und Baugemeinschaften wie eine breit verstandene Nachhaltigkeit im Bereich Wohnen und Mobilität aussehen kann. Partizipativ organisierte Angebote haben positive ökologische Wirkungen und fördern das soziale Miteinander und die Wohnzufriedenheit.

Im Wandel

Wohnen kann allgemein als das Grundbedürfnis nach Behausung bezeichnet werden. Mobilität als das Bedürfnis, beweglich zu sein. Diese Beweglichkeit ist erforderlich, um wiederum weitere Bedürfnisse zu erfüllen – mit mehr oder weniger Verkehr. Es bestehen Wechselwirkungen zwischen Wohnen und Mobilität. Dadurch kann das Verhältnis von innen zu außen oder von privat zu öffentlich beschrieben werden.

Die Art, wie wir heute wohnen, ist im Wandel. Lebensformen verändern sich, Familienkonstellationen und Haushaltsgrößen variieren – durch Patchwork-Familien oder wenn der Beruf es erfordert, an mehreren Orten einen Haushalt zu führen. Hinzu kommt der steigende Wohnflächenbedarf (derzeit im Durchschnitt 46,7 m² pro Kopf) durch den Trend zu kleineren Haushaltsgrößen. Diese sind unter anderem auch bedingt durch die Alterung der Gesellschaft (immer mehr Ein- und Zweipersonenhaushalte). Aber es ist auch ein Trend zu einer neuen Gemeinschaftlichkeit bemerkbar, der einen Gegenpol darstellt zu Vereinzelung, Einsamkeit, aber auch ökologischen und ökonomischen Nachteilen derzeitiger Wohnformen. Auch die Mobilität ist im Wandel. Für die Meisten ist Mobilität gleichgesetzt mit Flexibilität und Modernität, mobil sein ist ein Wert an sich. Das Verkehrsverhalten der Bewohner*innen in Deutschland ist davon geprägt, dass ein Großteil des Verkehrsaufwandes über den privaten Kfz-Verkehr umgesetzt wird. Die täglich mit dem Pkw zurückgelegten Strecken (im Durchschnitt 30 Kilometer pro Person und Tag) und die Zahl der Pkw in Privatbesitz (Höchststand im Jahr 2019) steigen weiterhin. Dies verweist einerseits auf gesellschaftliche und arbeitsweltliche Trends – wie weitere Pendeldistanzen zur Arbeit, Familien- und Freundesnetzwerke, aber auch Vorlieben und Notwendigkeiten bei Versorgungs- und Freizeitaktivitäten. Andererseits aber auch auf die strukturellen Entwicklungen – Siedlungsstrukturen sind heute so gestaltet, dass z.T. weite Wege zurückgelegt werden müssen und kein anderes Verkehrsmittel als das Auto dies komfortabel ermöglicht. Trends, die die Mobilität verändern, sind die Digitalisierung (Vernetzung und Automatisierung), die Dekarbonisierung (keine fossilen Energieträger nutzen) und der Trend zu Nutzen statt Besitzen.

Daraus ergeben sich heute dringliche Nachhaltigkeitsanforderungen an unsere Gesellschaft: Durch die Vernetzung verschiedener Verkehrsmittel wird es zukünftig besser möglich, multioptional unterwegs zu sein – es bestehen Optionen, welche Verkehrsmittel auf einem Weg oder z.B. im Verlauf einer Woche genutzt werden, das passendste für den jeweiligen Zweck. Eine solche multioptionale Mobilität ist nachhaltiger, vor allem umweltfreundlicher, als eine rein auf das private Auto fokussierte Mobilität. Dabei geht es nicht nur um CO₂-Emissionen, sondern auch um andere luftbelastende Schadstoffe, die Art der Flächennutzung und die Stadtverträglichkeit des privaten Kfz-Verkehrs. Diese Transformation befindet sich allerdings erst am Anfang. Bislang bewegt sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung in Deutschland im eigentlichen Verständnis multimodal fort (4%). Wohnen müsste soziales Miteinander und gegenseitige Unterstützung fördern, es sollten Lebensräume für soziokulturelle Vielfalt und Austausch entstehen, bezahlbarer Wohnraum für mehrere Generationen geschaffen bzw. gesichert werden. Das Bauen und der Gebäudebetrieb sollten stärker ressourceneffizient und -schonend erfolgen, zum Beispiel was die Energienutzung, das Wassermanagement, aber auch die Mobilität betrifft. Welche Mobilitätsoptionen könne von zu Hause aus gut genutzt werden?

Das derzeitige Angebot auf dem Wohnungsmarkt zeigt, dass Angebot und Bedarf gemessen an den Herausforderungen nicht übereinstimmen. Es gibt derzeit noch wenige Wohnungsangebote, in denen solche planerischen oder sozialen Innovationen realisiert sind, wie gemeinschaftlich genutzte Mobilitätsangebote und Räume, eine reduzierte Wohnfläche pro Kopf mit dafür gemeinschaftlichen Flächen oder quartiersbezogene Konzepte der kurzen Wege zum Arbeiten, Einkaufen, sich Erholen. Sie bestehen als Nischensegment vor allem bei gemeinschaftlichen Wohnformen.

Für eine Transformation, also den Wandel unserer Mobilitätskultur, müssen auch die Schnittstellen zwischen den beiden Bedürfnisfeldern Wohnen und Mobilität in den Blick genommen werden. Ist es erforderlich auch anders zu wohnen, wenn wir anders mobil sein wollen? Wie stark prägen die Gestaltung und das Arrangement zwischen innen und außen – das Gebaute, die Infrastrukturen, die Angebote – wie nachhaltig wir wohnen und uns fortbewegen?

Beispiele für Nachhaltigkeitsinnovationen im Bereich Wohnen

Meistens werden Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit im Bereich Wohnen vor allem mit gebäudetechnischen Aspekten (Energieeffizienz, erneuerbare Energieträger und Baustoffe) und durch die baulich-architektonische Gestaltung der Gebäude und des Wohnumfelds assoziiert.
Wesentlich ist aber auch das Alltagshandeln der Bewohner*innen, das in Wechselwirkung mit dem baulich-physischen steht. Die Bewohner*innen und weitere Involvierte, wie Vermieter, soziale Träger und Dienstleister, bieten Services oder Nachbarschaftshilfe an – so genannte wohnbegleitende Dienstleistungen. Sie ermöglichen auf der Ebene des Verhaltens und der alltäglichen Praktiken einen anderen Umgang miteinander und mit Ressourcen. Bei neueren gemeinschaftlichen Wohninitiativen gehören solche Angebote zum Kerngeschäft, bei (vorwiegend) gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen ist zu beobachten, dass solche Angebote als Zusatz etabliert werden. Prägend für solche gemeinschaftlichen Angebote sind vier Kriterien:

  1. Die „Herstellung“ erfolgt gemeinschaftlich und eigeninitiativ durch einen Aushandlungsprozess, die Bewohner*innen sind einbezogen und selbstorganisiert (im Gegensatz zum etablieren „von oben“). Dabei können zwar Konflikte oder Dissens entstehen – die gemeinschaftlich gelöst werden müssen – die Akzeptanz der Dienstleistungen ist aber durch ein solches Vorgehen gesichert.
  2. Die Dienstleistungen werden über eigene Kapazitäten oder mit Hilfe externer Ressourcen erbracht.
  3. Die Dienstleistungen können auf unterschiedliche Arten entgolten werden: monetär, als Tauschgeschäft, als Unterstützung.
  4. Es werden unterschiedliche Ressourcen eingesetzt: materielle (Geräte, Fahrzeuge, Räume) und ideelle bzw. soziale (Werte, Leitlinien, Vereinbarungen, Fähigkeiten, Kompetenzen). In dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt WohnMobil – Nachhaltiges Wohnen durch innovative gemeinschaftliche Angebote hat ein Forscher*innenteam gemeinschaftliche Wohnprojekte dabei begleitet, wie solche Angebote entstehen und betrieben werden und untersucht, welche Wirkungen diese Angebote haben können.

Welche gemeinschaftlichen Angebote können unterschieden werden?

Die gemeinschaftlichen wohnbegleitenden Dienstleistungen können in verschiedene Bereiche eingeteilt werden, Beispiele hierfür sind:

  1. Gemeinschaftliche Nutzung von Räumen und Flächen: Multifunktionsraum, Fitnessraum, Werkstatt, Gerätepool, Freizeitgerätepool, Gemeinschaftsgarten, Sauna, Spielplatz
  2. Gemeinschaftliche Mobilitätsangebote: Car- und Lastenradsharing sowie andere Fahrzeuge (z.T. Elektromobilität), dazugehöriges Buchungs- und Abrechnungstool, Fahrradparken, Reparaturdienst
  3. Soziale Kontakte und Nachbarschaft: Aktivitäten, die der gegenseitigen Unterstützung, der umweltfreundlicheren Alltagsorganisation und dem Austausch dienen wie Umsonstcafé, Hausaufgabenhilfe, Food Coop, Repaircafé

Was bringt’s?

In einem eineinhalbjährigen so genannten Reallabor-Prozess wurden bei einem Wohnungsunternehmen (34 Wohneinheiten, ca. 50 Bewohner*innen) und zwei Wohninitiativen (jeweils ca. 70 Wohneinheiten und ca. 120 bis150 Bewohner*innen) konkrete Dienstleistungen gemeinsam mit den Bewohner*innen geplant und durch diese umgesetzt. Es entstanden an die jeweilige Bewohnerschaft angepasste Lösungen:
a) Angebot eines gemeinschaftlichen Multifunktionsraumes, der von den Beteiligten als Fitnessraum und in einem Teilbereich mit einer Näh-/Bastelecke ausgestattet wurde.
b) Institutionalisierte und flexible, gering formalisierte nachbarschaftliche Mobilitätsdienstleistungen, um das nachbarschaftliche Teilen von Autos über eine Buchungs- und Abrechnungsplattform zu schaffen. Integriert sind Nutzungsgebühren, gemeinschaftlich geregelte Versicherung und Nutzungsregeln. Ebenso können Fahrräder und Lastenräder geteilt werden.

Nachdem die Angebote etabliert waren und über mehrere Monate genutzt wurden, haben die Forscher*innen die Nutzung und die Wirkungen analysiert und bewertet. Hierzu wurde ein Bewertungsrahmen entwickelt, der soziale, ökologische und ökonomische Wirkungskriterien der Dienstleistungen einbezieht. Dimensionen und Indikatoren der Bewertung waren:

  1. Sozial: soziale Interaktion, soziale Gerechtigkeit/Chancengleichheit beim Zugang zu den Dienstleistungen, Ermöglichen von Zeitsouveränität
  2. Ökologisch: Flächennutzung, Verkehrsaufwand
  3. Ökonomisch: Wirtschaftliche Tragfähigkeit (Investition, Betrieb und Unterhalt), individuelle Kosten

Wie wurden die Angebote genutzt?

Die Angebote wurden von den Bewohner*innen insgesamt gut angenommen. Der Gemeinschaftsraum wurde regelmäßig (2- bis 3-mal die Woche) von der Mehrheit der Bewohner*innen genutzt. Bei den Mobilitätsangeboten bestand eine hohe Bereitschaft eigene Fahrzeuge zum Teilen zur Verfügung zu stellen und auch ein hoher Bedarf welche auszuleihen. Die institutionalisierten Mobilitätsdienstleistungen wurden mehrmals pro Woche (mit zunehmender Tendenz) genutzt, es bestand eine hohe Verleihquote (steigende Tendenz) bei meist geringem Eigenbedarf. Nur eine geringe Zahl an Bewohner*innen nutzte die gemeinschaftlichen Mobilitätsdienstleistungen nicht.

Welche Wirkungen sind absehbar?

In Bezug auf die ökologischen Wirkungen ist es bei dem Gemeinschafts-Fitnessraum offen, inwiefern weniger Wohnfläche pro Kopf gebraucht wird, da der Raum erst nachträglich in das Gebäudekonzept des gemeinschaftlichen Wohnprojektes integriert wurde. Dennoch ist es als positiv zu bewerten, dass der Gebäudeplan eine solche Raumnutzung ermöglichte. Die Ausstattung des Fitnessraumes erfolgte durch überwiegend aus Privatbesitz eingebrachten bzw. gespendeten Sportgeräten, was als ressourceneffizient gewertet werden kann, da die Geräte intensiver und länger genutzt wurden. Besonders hervorzuheben ist das unerwartet hohe Verkehrsvermeidungspotenzial, da der überwiegende Teil der Nutzer*innen nicht mehr mit dem Auto zum drei Kilometer entfernten Fitnessstudio fuhr. Das nachbarschaftliche Carsharing wurde als Ergänzung zu anderen Verkehrsmitteln des Umweltverbunds genutzt und ermöglichte Flexibilität und Multimodalität. Durch die reduzierte Anzahl an Pkw auf die Gesamtbewohnerschaft gerechnet, konnte der Stellplatzbedarf auf die Hälfte reduziert werden, sodass in den Außenbereichen mehr Gemeinschaftsflächen errichtet werden konnten. Obwohl die Quote des Pkw-Besitzes in der Bewohnerschaft bereits unterdurchschnittlich war, planten Einige, aufgrund des Carsharings ihr Auto abzuschaffen. Neue Pkw wurden nicht angeschafft..

Sowohl der Gemeinschaftsraum als auch das nachbarschaftliche Mobilitätsangebot wurden als sozial verbindende und die Gemeinschaft stärkende Prozesse und Angebote bewertet. Sie fördern das gemeinschaftliche Engagement wie z.B. gemeinsame Einrichtung und Ausstattung des Fitnessraumes. Die Angebote sind jederzeit zugänglich und funktional. Bei dem Fitnessraum wurde die positive soziale Kontrolle hervorgehoben – als Ansporn regelmäßig und gemeinsam Sport zu treiben. Beim Carsharing wurde eine ambivalente Sicht auf das Buchungstool deutlich, nicht alle bewerteten es als positiv gegenüber dem persönlichen Kontakt bei der Ausleihe. Demgegenüber wurden der sehr gute Zugang und die Möglichkeit für eine hohe Zeitsouveränität wertgeschätzt. Darüber entstand eine an den jeweiligen Mobilitätsbedarf angepasste Funktionalität, die über unterschiedliche Organisationsformen umsetzbar war. Dennoch bestand ein hoher Wunsch nach Spontanität und Flexibilität, was durch das Sharingangebot nicht immer eingelöst werden konnte. Die zusätzlichen Gemeinschaftsflächen, die durch die reduzierten Stellplatzflächen geschaffen werden konnten, wurden von allen gewürdigt.

Aus einem ökonomischen Blickwinkel waren für den Gemeinschaftsraum geringe Investitionen (Notausgang) und geringe laufende Kosten (Strom/Wärme) nötig. Es wurden keine Nutzungsbeiträge erhoben. Inwiefern eine Zahlungsbereitschaft der Bewohner*innen für den Fitnessraum bestand, konnte nicht abgeschätzt werden. Aus Sicht des Wohnungsunternehmens ergaben sich positive Effekte durch eine höhere Wohnzufriedenheit und dadurch geringere Fluktuation. Bei den Mobilitätsdienstleistungen entstanden keine Investitionskosten, aber es waren hohe Eigenleistungen und kostenfreie Beratung nötig, um das Angebot zu etablieren. Demgegenüber bestanden geringe Betriebskosten. Über eine Umlage wurden zusätzliche Betriebskosten der Kfz auf die Nutzer*innen verteilt. Eine Einlage erhöhte die finanzielle Absicherung für zukünftige Gemeinschaftsinvestitionen – z.B. ein gemeinschaftliches Fahrzeug, wenn jetzige Fahrzeuge kaputt gehen sollten. Hervorzuheben ist die Kostenersparnis beim Bau und Unterhalt von Parkplätzen, da weniger Parkplätze benötigt werden. Ebenso kostensparend ist das nachbarschaftliche Carsharing gegenüber dem Eigenbesitz und der Alleinnutzung von Pkw und gegenüber kommerziellem Carsharing.

4 Transfer – ist das übertragbar und was braucht es dazu?

Die erste Ebene der Übertragbarkeit liegt auf der des Gebäudes und der Freiflächen. Wo liegen die „Points of interest“, um Wohnen und Mobilität zu transformieren? Es sind insbesondere:

  1. Gemeinschaftsflächen, -büros, -läden, die es ermöglichen, dass weniger/kürzere Wege und Verkehrsaufwand entstehen und mehr Möglichkeiten für nahräumliche Freizeitgestaltung bieten. Dies erlaubt eine höhere zeitliche Unabhängigkeit am Ort des Haushalts. Ebenso zählt hierzu die Aufenthaltsqualität und Attraktivität in der direkten Wohnumgebung und im Quartier.
  2. Nachbarschaftliche Mobilitätsangebote benötigen Park-/Abstellflächen, die einfach und komfortabel nutzbar sind, aber auch die Anwohner*innen nicht belästigen. Sie sollen dazu einladen, die Angebote auszuprobieren und zu nutzen.
  3. Werden vor Ort produzierte erneuerbare Energien genutzt, kann dies zusammen mit möglichen Elektromobilitätsangeboten gedacht werden – wo und wie kann der E-Roller, das E-Bike und das E-Auto geladen werden?

Auf einer zweiten Ebene wurden als Ergebnisse aus dem Forschungsprozess zehn Botschaften für den Transfer formuliert, die sich an interessierte Bewohner*innen, Wohninitiativen, Wohnungsunternehmen sowie Netzwerke, Kommunen und Fördergeber*innen richten. Vier davon sollen hier besonders für das Zusammenspiel von Wohnen und Mobilität hervorgehoben werden:

1 Gemeinschaftlichkeit und Sharing-Dienstleistungen liegen voll im Trend. Dieses Möglichkeitsfenster sollte genutzt werden, denn der vielschichtige Wert wohnbegleitender Dienstleistungen liegt auf der Hand. Nachhaltige Angebote rund ums Wohnen greifen das Potenzial wohnbegleitender Dienstleistungen auf und erzeugen einen vielfältigen Mehrwert: bessere Teilhabemöglichkeiten, Vertrauen und Wertschätzung für Bewohner*innen, ökologisch positive Wirkungen und aus ökonomischer Perspektive eine höhere Wohnzufriedenheit und Bewohnerbindung.
2 Die Ideen zur Nutzung müssen frühzeitig in den Planungsprozess eingebunden werden und Umsetzungsmöglichkeiten für die Konzeptentwicklung von Dienstleistungen geschaffen werden. In der baulichen Planung (unabhängig, ob Neubau oder z.B. Sanierung) muss berücksichtigt werden, dass unterschiedliche oder ggf. noch nicht festgelegte Nutzungen möglich sind – nutzungsoffene Flächen und Räume sollten zunächst „weiße Flecken“ sein. Spätere Ergänzungen bzw. Umnutzungen sind oft teuer bzw. baulich selten möglich. Bestimmte wohnbegleitende Dienstleistungen – insbesondere Mobilitätsdienstleistungen – bedürfen wiederum einer frühzeitigen Planung. Durch Ausstattung und Lage – z.B. von Kfz-Stellplätzen, Radabstellanlagen, Lademöglichkeiten etc. – werden bauliche Vorfestlegungen getroffen, die die Baukosten erheblich beeinflussen sowie Nutzungsmuster und Verhaltensroutinen langfristig festlegen. Diese können später nur schwer revidiert werden.
3 Wohnbegleitende Dienstleistungen größer denken: Kooperationspartner*innen und Nutzer*innen müssen nicht nur die eigenen Bewohner*innen sein. Sie können auch aus dem Quartier kommen. Die Dienstleistungsentwicklung sollte zunächst von den Bewohner*innen und deren Interessen ausgehen. Für die fachliche und organisatorische Unterstützung, zur Erweiterung des Nutzerkreises und zur Verstetigung der Dienstleistung kann es jedoch wichtig sein, über die eigenen Grundstücksgrenzen hinaus zu denken. Auf diese Weise können die Dienstleistungen nützlich für viele Personen sein – als Nutzer*innen oder als Dienstleister*innen im gesamten Quartier.
4 Für die Verbreitung wohnbegleitender Dienstleistungen sind die kommunalen Rahmenbedingungen wichtig: Gemein¬wohlaspekte sollten als Kriterien für Grundstücksvergaben in kommunalen Konzeptverfahren verankert werden. Die kommunale Planung sollte hierfür auch einen frühzeitigen Dialog mit Bewohnerinitiativen anstoßen. Netzwerkstellen zu gemeinschaftlichem Wohnen (kommunal, regional) sollten ausgebaut werden. Diese beraten und unterstützen fachlich und organisatorisch und können eine Vermittlerfunktion haben (Planung/ Entwicklung von Dienstleistungen und Beratung zu Fördermöglichkeiten). Rechtliche Vorgaben wie z.B. Stellplatzsatzungen sollten mehr Flexibilität für die Ausgestaltung wohnungsbegleitender Dienstleistungen bieten (z.B. ein Mobilitätskonzept mit Sharing-Angeboten). Auch sollten die Möglichkeiten für Anschub¬finanzierungen gestärkt werden (z.B. niedrigschwellige Wettbewerbe, Förderprogramme, Bürgschaften).

Aus den oben angeführten Ergebnissen lässt sich folgern, dass gemeinschaftliche Angebote das Potenzial haben, sowohl die Art und Weise des Wohnens als auch der Mobilität zu verändern: Sie haben Einfluss auf das Zusammenleben und die Kommunikation sowie auf die Art der Nutzung von Räumen und Freiflächen, die häufig zwischen privat und öffentlich liegen. Der Nahraum ist nicht nur Schnittstelle zwischen Wohnen und Mobilität, sondern ein entscheidender Dreh- und Angelpunkt für eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit. Um in Zukunft diese Schnittstelle zu stärken, ist es wichtig, dass das Wohnumfeld mit seinen Wegen, Straßen und Plätzen viel stärker an Aufenthalt und für aktive Mobilität ausgerichtet wird, um auch die Transformation am Ort des Wohnens zu befördern. Hierfür sind ein anderes Planungsverständnis, andere Planungsregularien und eine andere Bereitschaft zu Investitionen nötig.