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Im Jahr 2044 wird in den Kunstmuseen Krefeld ein Dinner stattfinden, zu dem die brasilianische Künstlerin Laura Lima bereits heute einlädt. Das Menü wird sich in einer Holzkiste befinden, wie sie für die Aufbewahrung von Kunstwerken im Museumsdepot verwendet werden: rund 40 Gerichte, in der Küche von Haus Lange gekocht im Jahr 2019 und haltbar gemacht für eine Dauer von (mindestens) 25 Jahren. Wie häufig in Laura Limas künstlerischer Praxis, so ist auch hier der Prozess der Herstellung, der von Dritten ausgeführt wird, integraler Bestandteil des Kunstwerks: „Ich schaffe die Atmosphäre, in der andere performen“, so beschreibt sie die Versuchsanordnungen, mit denen sie menschliche Verhaltensweisen, Gesten, soziale Interaktionen untersucht und das Alltägliche neu erfahrbar macht. In Absprache mit der Künstlerin hat das Team des Krefelder Cateringunternehmen salt’n’pepper insgesamt zehn Rezepte entwickelt, die im Wechsel mehrmals wöchentlich in der Küche von Haus Lange vor Publikum gekocht und mittels zweier spezieller Verfahren — einem modernen und einem traditionellen — haltbar gemacht werden. Frische, einfache Zutaten wie Hülsenfrüchte und saisonales, regionales Gemüse werden zubereitet und anschließend entweder gefriergetrocknet und vakuumiert oder aber in Einmachgläsern konserviert.
Als in den 1960er Jahren aus einem innovativen künstlerischen Umgang mit Alltag und Körper heraus die Eat Art entstand, zielte der künstlerische Umgang mit Essbarem vor allem auf die direkte Verknüpfung mit der menschlichen Existenz und die Sichtbarmachung von Verfall und Vergänglichkeit, die den herkömmlichen Kunstbegriff auf den Kopf stellte. Laura Lima knüpft an diese Tradition an; im Vordergrund steht jedoch weniger das Essen selbst als Objekt, sondern die konzeptuellen Überlegungen und gesellschaftlichen Fragen, die sich vor allem durch die zeitliche Dimension ihres Projekts eröffnen. Lima nutzt häufig und sehr bewusst unberechenbare Faktoren und Ungewissheiten, bezieht lange Zeiträume, die Handlungen des Publikums oder auch Tiere in ihre Arbeit mit ein.
Meet me in 2044 stellt die Frage nach unserer möglichen Zukunft ganz direkt. Weder wissen wir, ob unsere Lebenszeit für den Verzehr des Menüs überhaupt ausreicht, noch wie das Leben dann aussehen wird. Mit dieser Lebensmittelkiste, die als Kunstwerk im Museumsdepot überdauert, lassen sich ebenso katastrophische Zukunftsszenarien wie aktuelle globale Fragen verbinden. In einer Zeit, die Profit über Nachhaltigkeit stellt, Ressourcen ausbeutet, Regenwälder abbrennen lässt und Lebensmittel tonnenweise vernichtet, erscheint dieser sorgsame Akt der Aufbewahrung wie ein archaisches Ritual gegen die Wegwerfgesellschaft. Unser Überleben sichern kann diese Notration nicht — aber sie erzeugt ein eindringliches Bild, das unser alltägliches Handeln auf den Prüfstand stellt.
Laura Lima (*
1971, lebt und arbeitet in Rio de Janeiro) wurde international bekannt für ihre konzeptuellen Arbeiten zwischen Performance, Skulptur und Installation, mit denen sie häufig unter Beteiligung von Dritten die Grenze zwischen Alltäglichem und Absurdem, Fiktion und Realität auslotet. Neben zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen weltweit hatte sie Einzelausstellungen u.a. in der Pinacoteca von Sao Paulo, der Fondazione Prada in Mai-land, dem Museo de Arte Moderno de Buenos Aires, dem Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich und dem Bonnefantenmuseum Maastricht.
Magdalena Holzhey