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Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) war weltweit einer der bedeutendsten und einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Sein berufliches Wirken unterteilt sich in zwei jeweils dreißigjährige Schaffensphasen in Berlin und in Chicago. Neben einigen ikonischen Arbeiten der klassisch-modernen Architektur in Europa entwickelte er in den Vereinigten Staaten eine bildstarke Architektur, die mit struktureller Ordnung möglichst nutzungsflexible Bauten ermöglichte.
Für Krefeld – die Stadt der Seidenweber – plante Mies van der Rohe zwischen 1927 und 1938 sechs Projekte, von denen drei realisiert wurden. In den Zeitraum der Krefelder Jahre bis zur Emigration Mies van der Rohes in die USA im Jahr 1938 fällt auch sein erster Karrierehöhepunkt.
Mies van der Rohe profitierte in dieser elfjährigen Zusammenarbeit von den guten Kontakten zu den „Krefelder Freunden“ um den Seidenfabrikanten und Kunstsammler Hermann Lange. Mies van der Rohe hatte den an avantgardistischer Kunst interessierten Lange vermutlich im Umfeld des Deutschen Werkbundes kennengelernt. Im Werkbund hatten sich Künstler, Architekten, Handwerker, Industrielle und Intellektuelle zusammengeschlossen, um im Zeitalter der Maschinenproduktion neue Wege einer sachlichen, funktionalen Gestaltung zu beschreiten.
Hermann Lange (1874–1942) gründete 1920 gemeinsam mit Josef Esters (1884–1966) und weiteren Vertretern der Krefelder Textilindustrie die Vereinigten Seidenwebereien AG (Verseidag). Dieser Zusammenschluss führte an der Girmesgath zum Bau eines Industriekomplexes, dessen Umsetzung in den Jahren von 1925 bis 1938 weitgehend unter Beteiligung Mies van der Rohes erfolgte. Hinzu kamen die beeindruckenden Wohnhäuser für die beiden Fabrikantenfamilien Lange und Esters sowie ein in die Landschaft eingebettetes, nicht realisiertes Golfclubhaus.
Die Krefelder Entwürfe und Bauten illustrieren anschaulich die spannungsvolle Beziehung avantgardistischer Bauideen und konstruktiver Herausforderungen: Von den hybriden Stahl-Mauerwerk-Konstrukten von Haus Lange und Esters über den funktionalistischen, verkleideten Stahlskelettbau des Lagergebäudes für Herrenfutterstoffe der Verseidag bis hin zum Zusammenspiel von Wandscheiben und verchromten Kreuzstützen im Hausentwurf für Hermann Langes Sohn Ulrich oder im Golfclub. Damit veranschaulichen die Projekte die Entwicklung und Bandbreite der architektonischen Prinzipien sowie konstruktiven Lösungen von Mies van der Rohe in einer Zeit der Suche. Diese Erfahrung, besonders auch das späte, nicht realisierte Großprojekt für die Hauptverwaltung der Verseidag, nahm zukünftige architektonische Ansätze des Architekten in seiner amerikanischen Phase vorweg.
Nobert Hanenberg, Daniel Lohmann