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Didier Fiúza Faustinos Projekt ist an der Schnittstelle zwischen Kunst und Architektur: kreuzförmige Feldbetten (Rest in Piece) im Außenbereich und ein Durchgang aus aneinander genähten Flugzeugdecken (Global Warming) im Inneren von Haus Lange ergänzen sich zu einer Installation. Die Objekte muten wie improvisierte Architekturen an, deren Tragekonstruktionen schnell auf- und abgebaut werden können, um sie an verschiedenen Orten zu platzieren. Feldbetten ebenso wie Flugzeugdecken sind nicht auf Dauerhaftigkeit und individuelle Nutzung angelegt, sondern auf eine funktionale Zweckmäßigkeit, die sich in der Gestaltung von Form und Material wiederfindet.
Die Arbeiten transportieren Ideen von Flexibilität und Mobilität, die sinnbildlich für verschiedene Anforderungen unserer heutigen Gesellschaft an das Wohnen und Leben stehen. Faustino spiegelt mit Global Warming und Rest in Piece ein paradoxes Moment von Mobilität. Einerseits verlangen Globalisierung und Digitalisierung nach ständiger Beweglichkeit, andererseits werden durch Klimaerwärmung sowie politische Umstände Menschen zu ungewollter Flexibilität und Mobilität gezwungen. Didier Fiúza Faustinos Arbeit verortet sich im Schwellenbereich: Zwischen Mobilität als Anforderung und Mobilität als Unabwendbarkeit. Die Perspektive der Unabwendbarkeit ist von der Reflektion der hochaktuellen Thematik um geflüchtete Menschen geprägt.
Dass der Klimawandel zu einer Fluchtursache in vielen Ländern geworden ist, ist bisher nicht ausreichend ins Bewusstsein der dafür verantwortlichen Industrienationen gerückt. In der globalisierten Gesellschaft wird Mobilität eingefordert und trägt in ihrer Konsequenz zur Klimaerwärmung bei. Lebensgrundlagen wie Wasser, Nahrungsmittel und Weideland werden zunehmend zu raren Ressourcen und zwingen Menschen zu mobilen Lebens- und Wohnentwürfen. Mobilität ist hier unabwendbar.
2018 flogen in Deutschland über 23 Millionen Menschen auf inländischen Strecken, so ein aktueller Artikel der ZEIT Online (Weßling: Wer noch ins Flugzeug steigt, ist ein Klimasünder, 05.05.2019). Hier stellt sich die Frage, ob das exzessive Fliegen ein Symptom einer globalisierten Gesellschaft ist, die Mobilität als Anforderung versteht. In Didier Fiúza Faustinos Global Warming klingen diese gegenläufigen Perspektiven und Fragen an. Die kritisch-appellierende Lesart ist nur eine unter vielen, die die Installation eröffnet. Im Innenraum von Haus Lange ist eine farbenfrohe, collagierte Komposition bestehend aus Decken internationaler Fluggesellschaften als Durchgang positioniert. Faustinos Installation setzt in ihrer Lesart bei Urtypen des Wohnens an und spannt den Bogen bis hin zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Die Installation überwindet die Schwelle zwischen Architektur und Garten und stärkt so den von Mies van der Rohe intendierten Dialog zwischen Innen und Außen.
Didier Fiúza Faustino (1968*
in Chennevières-sur-Marne, FR) ist Architekt sowie Künstler und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Körper und Raum. Er begann mit seiner interdisziplinären Auseinandersetzung direkt nach Abschluss seines Architekturstudiums 1995. Seitdem entwickelt er facettenreiche Ansätze, die ein Spektrum von Installation, Experiment, Bildender Kunst bis hin zur Gestaltung multisensorischer Räume und mobiler Architektur öffnen. Nach sechs Jahren Lehrtätigkeit in London und zwei Jahren Arbeit als Chefredakteur für internationale Architektur- und Designmagazine widmet sich Faustino nun als freischaffender Künstler und Architekt seinen Projekten auf der ganzen Welt.
Julia Reich