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Eigentlich ist das Zimmer der Dame in der Villa Esters leer. Nur ein schwarz-weiß gemusterter Teppich auf dem Boden erinnert daran, dass in diesem Haus gewohnt und gelebt wurde. Das abstrakte Muster wirkt ungewöhnlich, wie eine verschlüsselte Schattenwelt, geschaffen aus der Tradition des Weberei-Handwerks. Tatsächlich ist das Teppichmuster der auslösende Code, der Marker für eine augmentierte Realität. Nimmt man das Tablet, das auf der Fensterbank liegt, zur Hand und richtet es auf den Teppich, erscheint ein künstlicher Mensch. Dieser Avatar — eher Mann denn Frau und von kleiner Statur — bewegt sich im Raum auf dem Teppich und führt Handlungen aus, die zum Teil wunderlich wirken, zum Teil an alltägliche Verrichtungen erinnern.
Die Situation gleicht einer inszenierten Performance, erinnert in ihrer intimen Geschlossenheit aber auch an ein Kammerspiel. Der virtuelle Mensch erscheint in seinen Handlungen konzentriert und zugleich beschränkt in seinem räumlichen Radius. Er ist allein im privaten, häuslichen Umfeld. Ein Wunsch nach Geselligkeit und (öffentlicher) Gesellschaft lässt sich nicht erkennen. Und hat diese künstliche Kreatur überhaupt ein Bewusstsein? Letztlich handelt es sich doch um eine Menschmaschine — ein uralter Traum von der Erschaffung eines selbst handelnden künstlichen Menschen, den das Künstlerduo Banz & Bowinkel mit Hilfe aktueller Software realisiert hat. Bot 05 ist, wie der Titel bereits sagt, der oder das fünfte seiner Art. Bot steht für ein Computerprogramm, das nach vorgegebenen übergeordneten Regeln automatisch, ohne weiteres Eingreifen Aufgaben erfüllt. So führt der Avatar eine ganze Reihe von vorgegebenen Tätigkeiten aus, die er aber sozusagen selbstbestimmt variiert (mittels eines Scoring Systems, eines analytischen Verfahrens).
Auf diese Weise entsteht eine Performance, die sich aus zahlreichen einzelnen Handlungseinheiten immer wieder neu choreografiert. Einen Anfang oder ein Ende des Schauspiels gibt es dabei nicht. Der heutige Maschinenmensch, wie ihn der Avatar verkörpert, steht in einem noch unentschiedenen Spannungsfeld: Zum einen befeuert er den Glauben an den technischen Fortschritt und an einen Transhumanismus, der den menschlichen Körper durch Technik verbessert. Zum anderen verweist der Avatar Bot 05 darauf, dass computergesteuerte Systeme — Likes, Scores, Ratings — zunehmend das alltägliche Leben und private Rückzugsorte wie das eigene Heim gestalten bzw. beherrschen: Nahezu unbemerkt wird auf diese Weise im Umkehrschluss menschliches Verhalten ‚programmiert‘. Das Kammerspiel, das der Avatar auf dem Teppich im Haus Esters vor Augen führt, zeigt diesen schmalen Grat zwischen utopischen und dystopischen Denkmodellen auf.
Friedemann Banz (*
1980 Mainz, Deutschland) und Giulia Bowinkel (1983 Düsseldorf, Deutschland) arbeiten seit 2009 als Künstlerduo. Beide haben an der Kunstakademie Düsseldorf studiert: Giulia Bowinkel von 2002 bis 2008 bei Gerhard Merz und Albert Oehlen, Friedemann Banz von 2001 bis 2007 bei Albert Oehlen. Mit ihren Installationen, Videoarbeiten und virtuellen Realitäten analysieren sie das Verhältnis zwischen Wirklichkeit und computergenerierter Fiktion. Das Medium Computer ist bei ihnen Mittel und Thema zugleich.
Sylvia Martin