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Desiree Heiss und Ines Kaag, die hinter der Bezeichnung Bless stehen, bewegen sich mit ihren Arbeiten im Bereich zwischen Kunst, Design und Mode. Sie suchen neue gestalterische und praktische Lösungen für das alltägliche Leben. Sie achten darauf, wo tägliche Routine ins Stocken gerät, welche nützlichen Dinge auf eine ästhetische Neuformulierung warten und wie Gewohntes zum Besseren verändert werden kann. Ein Bett ist bei Bless nicht nur eine Schlafstätte, sondern zugleich ein Arbeitstisch; eine Pelzperücke wärmt den Kopf und ermöglicht dem Träger oder der Trägerin zudem, die Persönlichkeit zu verändern. Auf den ersten Blick irritieren viele ihrer Objekte und Kleidungsstücke. Sie bleiben jedoch immer nützlich und sind ein Bekenntnis dafür, wie man leben will. Viele Gegenstände statten Heiss und Kaag mit einer Doppelfunktion aus, so auch BLESS N° 66 Architecture Souvenir Baggage I und II.
Die Objekte sind Koffer und Möbel zugleich. Auf spielerische Weise sind zwei scheinbar unvereinbare Dinge zur Symbiose gebracht: Der Koffer als ein Gegenstand, der als Transportmittel einem mobilen Leben auf Reisen dient; das Möbel steht für den sesshaften, heimischen Ort. In dieser Gegensätzlichkeit spiegelt sich eine Herausforderung unserer heutigen Gesellschaft. Der flexible Mensch, wie ihn ein globaler Kapitalismus fordert und der englische Soziologe Richard Sennett bereits Ende des zwanzigsten Jahrhunderts beschrieben hat, steht einem individuellen Bedürfnis nach Geborgenheit, Sicherheit und Beständigkeit gegenüber. Desiree Heiss und Ines Kaag machen diesen Widerspruch sichtbar und bieten einen Gegenentwurf an, indem das Objekt beide Funktionen erfüllt, Reisen und Wohnen. Den Koffer befreien sie aus seinem Schattendasein in irgendwelchen Abstellkammern. Er wird sichtbarer Bestandteil eines Mini-Möbels, dessen Konstruktion und Materialität sich aus der Architektur von Haus Lange ableitet. Dieses Objekt kann jederzeit versetzt und fortgetragen werden. Es ist ein Souvenir, es erinnert an die Architektur dieses Hauses, auch wenn es an einen ganz anderen Ort gelangen würde.
Ludwig Mies van der Rohe, der die Villa Lange Ende der 1920er Jahre geschaffen hat, verstand wie viele andere Protagonisten des Neuen Bauens Architektur und Design als Einheit. Er realisierte individuelle, ästhetische Lösungen für ein bürgerliches Leben. Sein Ziel war die „Baukunst“, nicht der soziale Wohnungsbau. Im Gegensatz dazu haben sich Desiree Heiss und Ines Kaag mit dem Label Bless für das Alltägliche, Individuelle und für eine „flexible Spezialisierung“ (R. Sennett) entschieden. Sie halten sich auf Distanz zur Schnelllebigkeit der Mode oder überhaupt zur Vereinnahmung durch Branchen und festgeschriebene Produktionsweisen. Mit den Dingen, die sie auf kreativer und handwerklicher Basis produzieren, wie auch mit ihrem Firmenkonzept passen sie sich der permanenten Veränderung und der Mobilität unserer Gesellschaft an, statt sie durch Massenproduktion oder ikonische Produkte beherrschen zu wollen. Gerade darin spiegelt sich eine andere Utopie: die Vorstellung von einem individuellen, selbstbestimmten Leben.
Bless bezeichnet ein Label, das 1997 von Desiree Heiss und Ines Kaag gegründet wurde. Desiree Heiss (*
1971 Freiburg, Deutschland) studierte an der Kunstakademie in Wien und Ines Kaag (*
1970 Fürth, Deutschland) an der Kunstakademie in Hannover. Ihr Firmensitz ist in Berlin und Paris. Sie haben einen eigenen Vertrieb und kooperieren mit anderen Labels. 2003 wurde in Berlin ein Bless-Shop eröffnet. Ihre Arbeiten sind immer wieder in Ausstellungen (im Centre Pompidou in Paris, auf der Biennale in Berlin oder der Istanbul Design Biennale) zu sehen. 2018 hatten sie eine Residency im Richard Neutra Haus in Los Angeles.
Sylvia Martin