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Die glänzenden, buntfarbigen Skulpturen und die inszenierten, theatralen Erzählungen und Modelle von Andreas Schmitten schmeicheln den Sinnen, verlocken und verleiten zu einem spielerischen Impuls und bleiben dennoch unbestimmt in ihrem Charakter. Das Verhältnis der künstlichen Oberflächen zu alltäglichen, aber stilisierten Formen erscheint passend und zugleich unvereinbar. An dieser formalen Bruchstelle entsteht ein gedanklicher Leerraum, der sich mit Fragen nach Identität, dem vermeintlich Echten und Allgemeingültigen füllen lässt. Mit der ortsspezifischen Arbeit Fragile Konstruktion bilden das Haus Lange und die Objekte von Andreas Schmitten im vorderen Gartenbereich eine Bühnensituation. Architektur und Garten hat Ludwig Mies van der Rohe in seiner eigenwilligen Handschrift Ende der 1920er Jahre im Stil des Neuen Bauens entworfen. Gartenmöbel — ein Sonnenschirm, Stühle, eine Rutsche, ein Tisch und eine Markise — stehen und liegen verstreut vor dem Haus. Dieses Zubehör einer sommerlichen, mediterranen Idylle hat seine besten Tage bereits hinter sich. Alles wirkt zerfleddert, merkwürdig surreal deformiert und verbeult.
Obwohl eine süß-bunte Farbigkeit die Möbel überstrahlt, scheint der Ort verlassen. Die Möblierung wirkt wie ein simuliertes ready-made, das der Zeitlosigkeit der ikonischen Architektur eine ablesbare Vergangenheit verleiht. Gebäude und künstlerische Arbeit beziehen sich unmittelbar aufeinander, bilden eine Erzählung über Zeitlosigkeit und Vergänglichkeit, über das Echte und das Künstliche. Schmitten macht den hier vorliegenden kulturellen Raum folglich zum integralen Teil seiner Arbeit. Auf den ersten Blick scheint es sich um einen privaten, einsehbaren Vorgarten zu handeln. Erst beim genaueren Hinsehen und vielleicht mit dem Seitenblick auf die ebenso merkwürdige Zahnbürste im benachbarten Vorgarten wird dem unfreiwilligen Betrachter deutlich, dass es sich um einen öffentlichen Raum, ein Museum handelt. Unbestimmtes liegt auch hier vor: Ein Privathaus mit großem Grundstück, gelegen in einem bürgerlichen etablierten Wohnviertel der Stadt, als öffentlicher, zugänglicher Ort. So verweist die Szene auch auf die Funktion des Hauses. Dass man sich an diesem Ort und in diesem Viertel mit Kunst und Kultur beschäftigt, erscheint nun geradezu selbstverständlich — anders würde es sich in der Innenstadt oder in sozial randständigen Stadtteilen verhalten, wo Kunst im öffentlichen Raum häufig als unerwünscht, störend oder uninteressant angesehen wird. Der Wohnbezirk mit den Häusern Lange Esters steht für eine kulturell aufgeschlossene Bürgerschaft. Angesichts der ramponierten und verlassenen Vorgartenszene scheint jedoch die Vorstellung von einem intakten Bildungsbürgertum immer mehr zu einer Illusion zu werden.
Andreas Schmitten (*
1980 Mönchengladbach, Deutschland) hat 2001 bis 2006 zunächst Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf studiert, bevor er an die Kunstakademie Düsseldorf wechselte. Dort hat er 2012 bei Georg Herold abgeschlossen. 2014 hatte er ein DAAD Artist Fellowship für Los Angeles. Der Künstler lebt und arbeitet in Neuss.
Sylvia Martin