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“As is the case with all our deepest assumptions, we’re not conscious of making them and we’re even less ware of how they have been shaped by centuries of philosophical reflection. By bringing these assumptions to the surface, we can better understand how we and others see the world, which in turn will help us to understand why we do what we do in it.”
—Julian Baggini, How the World Thinks: A Global History of Philosophy, 2018
Der Globus ist das älteste und maßstabgetreueste Abbild der Kugelgestalt unserer Erde. Ein Symbol für Forscherdrang und Fantasie der Menschen gleichermaßen, eine domestizierte Vorstellung der uns umgebenden Welt, die schon in der Antike und dann erneut seit dem Zeitalter der großen Entdecker ab dem 15. Jahrhundert sowohl zur exakten wissenschaftlichen Darstellung als auch zur Imagination noch unerforschter Flecken auf der Landkarte diente.
Für Anders Wohnen hat das Londoner Designerduo Dunne & Raby eine Serie „Anderer Welten“ entwickelt. Sie nutzen das ehemalige Damenzimmer in Haus Lange als ein studiolo, ein der Beschäftigung mit den Künsten und Wissenschaften gewidmetes Studierzimmer. Die hier präsentierten Globenformen mitsamt ihren potentiellen Oberflächen bilden keine realen Welten ab, sondern sind inspiriert von (pseudo) wissenschaftlichen Entdeckungen und Spekulationen ebenso wie von fiktionalen Welten der Literatur. Für Dunne & Raby steht nicht die Funktionalität, Optimierung und Vermarktbarkeit von Objekten im Vordergrund, sondern eine grundsätzliche kritische, spekulative und diskursive Auseinandersetzung mit der Dingwelt und ihrer Bedeutung für die menschliche Entwicklung. Ihre Globen sind Gedankenexperimente, Beispiele für ihr generelles Interesse an der Konzeption und Umsetzung alternativer Realitäten und paralleler Welten, die Dunne & Raby unter dem Oberbegriff ‘designed realities’ zusammenfassen.
Das Spektrum der den Globen zugrunde liegenden Inspirationsquellen beginnt bei wissenschaftlichen Gedankenexperimenten, die sich mit potentiellen alternativen Formen des Erdkörpers befassen. Es reicht über Vorhersagen des Klimawandels und neuen Messungen des bislang erdfernsten untersuchten Objektes „Ultima Thule“ bis hin zu Klassikern der sogenannten harten, also mit wissenschaftlich präzisen Fakten unterfütterten Science Fiction-Literatur wie Inverted World von Christopher Priest oder Mission of Gravity von Hal Clement. Gemeinsam ist allen von Dunne & Raby vorgeschlagenen Materialisierungen ihr utopisches Potenzial – utopisch im Sinne einer grundsätzlich anderen Möglichkeit, die Welt zu denken. Der Globus ist somit nicht nur Medium der Weltdarstellung, sondern auch der Weltanschauung. Ihr „Archiv der unmöglichen Objekte“ führt uns Realität nicht als objektive Größe vor, sondern als Konstruktion, die immer auch an die Art und Weise gebunden ist, wie wir Wirklichkeit darstellen und welchen subjektiven Standpunkt wir dabei einnehmen.
Dunne & Raby (Anthony Dunne, *
1964 und Fiona Raby, *
1963, Singapur) arbeiten seit 1994 zusammen und leben in London. Sie sind Pioniere der Critical Design-Bewegung, die ihr eigenes Studio betreiben, aber auch als Forscher und Dozenten im Spannungsfeld von Design, Kunst, Wissenschaft und innovativer Technologie arbeiten. Sie haben mit Firmen wie Sony UK, National Panasonic und France Telecom zusammengearbeitet und in zahlreichen Museen weltweit ausgestellt, darunter das Museum of Modern Art New York, das Centre Pompidou in Paris und das Victoria and Albert Museum London.
Magdalena Holzhey