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innen, Designer*
innen, Architekt*
innenZwischen 1927 und 1930 entstanden die Wohnhäuser Lange und Esters im Krefelder Norden für die Familien der beiden Gründungsverantwortlichen der Vereinigten Seidenwebereien AG. Die Idee, Mies van der Rohe mit der Planung und dem Bau der Häuser zu beauftragen, ging vermutlich auf eine Initiative von Hermann Lange zurück. Der kunstinteressierte Industrielle hatte den Architekten wohl im Umfeld der Avantgardekunst und des Deutschen Werkbunds kennengelernt.
Mies van der Rohe beschäftigte sich ab der Mitte der 1920er Jahre mit dem „fließenden Raumkontinuum“, das durch frei im Raum stehende Wandscheiben umfangen und strukturiert wird. So schuf er auf der Basis dieses Konzeptes sein erstes Meisterwerk, den Deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1929 in Barcelona. Gleichzeitig mit den Krefelder Villen entstand in Brünn (Tschechien) zwischen 1929 und 1930 das Haus Tugendhat, bei dem er das Ideal des neuen Wohnens radikal umzusetzen versuchte.
Im Sinne des 'fließenden Raumes' bildete Mies van der Rohe auch in seinen ersten Entwürfen für die Krefelder Häuser im Sommer 1927 die Innenräume durch Wandscheiben. Er bezog sich damit auf ein 1927 fertiggestelltes Wohnhaus für die Familie des Textilunternehmers Erich Wolf in Guben, das Hermann Lange und Josef Esters in der Phase des Projektbeginns besuchten. Diese offene Grundrisskomposition entsprach aber nicht den Bedürfnissen der beiden Bauherren, so dass der Architekt letztendlich auf eine konventionellere Raumbegrenzung zurückgriff. Das Thema der dominierenden und im Innenraumbild deutlich zutage tretenden Wandscheiben behielt er in vielen Bereichen der Erdgeschosse in beiden Häusern bei.
Im Unterschied zum heutigen Bild der beiden Häuser als eng verbundenes Ensemble von Museen existierte in ihrer Funktion als Wohnhäuser von Anfang an eine strikte Trennung der Grundstücke. Diese wurde nicht nur durch versetzte straßenseitige Zugangstore mit zusätzlichem Drahtzaun auf der Einfassungsmauer bei Haus Esters gebildet, sondern auch durch eine nur bis auf wenige Meter an die Straße heranreichende Grenzmauer mit einer Höhe von etwas über zwei Metern, unterstrichen von einer dicht gesetzten Reihe hochstämmiger Pappeln auf der Seite von Esters. Heute ist die Mauer nur noch zwischen dem Wirtschaftshof von Haus Lange und Haus Esters zu verfolgen.
Nobert Hanenberg, Daniel Lohmann