Editorial

Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstmuseen Krefeld,


mit dem 26. Januar 2020 findet ein außergewöhnliches, experimentelles Projekt ein ebenso besonderes Format: Unser Thema Anders Wohnen. Entwürfe für Haus Lange Haus Esters geht in ein Online-Magazin über und bleibt auf diese Weise dauerhaft und frei zugänglich existent.

In Anders Wohnen. Entwürfe für Haus Lange Haus Esters haben 14 Künstler*innen, Designer*innen und Architekt*innen über das Jahr 2019 neue und auf diesen Ort bezogene Arbeiten und Installationen realisiert. Ideen wurden entwickelt, diskutiert, verworfen, verändert und dann umgesetzt.
Für alle Teilnehmer*innen wie auch für uns von den Kunstmuseen Krefeld war dieses Projekt, das zum Jubiläum Bauhaus 100 entstand, ein großartiges und herausforderndes Experiment.

Zum einen haben wir das klassische Ausstellungsformat massiv erweitert: Wir haben Praxis und Theorie mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Formaten zusammengebracht: mit einem FabLab, mit Seminaren, mit einem Barcamp, mit Führungen, einer Augmented Reality, Vorträgen, Filmen, Workshops und einigem mehr. Viele Kooperationspartner schrieben mit ihren Ideen das Projekt aus ihrer Perspektive fort.
Die großen Themen Utopie, Mobilität und Dystopie wie auch die moderne Architektur von Ludwig Mies van der Rohe wurden mit diesen unterschiedlichen Strategien neu reflektiert, getestet und interpretiert.

So expandierte die Museumspraxis hin zu einer integrativen und prozesshaften Vorstellung von Museum. Oder ganz einfach: es konnte im Museum geredet und diskutiert werden über die Zukunft, über das Zusammenspiel von Kunst, Architektur und Design und über gesellschaftliche Entwicklungen.

Zum anderen ist Zukunft auch das Stichwort für einen weiteren experimentellen Weg, den wir mit Anders Wohnen eingeschlagen haben. Wir haben vierzehn Protagonist*innen gebeten, mit einer neuen, für Krefeld und für die Häuser Lange und Esters geschaffenen Arbeit in die Zukunft zu schauen.

Zukunft und Fortschritt bedeuten ja eigentlich, das Leben von morgen in Vorstellungen von heute zu denken. Aktuell wird das Fortschreiten in Richtung Zukunft vor allem an technischen Innovationen, naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und wirtschaftlichen Errungenschaften gemessen. Kreative Köpfe sind in der Lage, ganz andere Wege und Denkmodelle zu öffnen.

Die vierzehn Künstler*innen, Designer*innen und Architekt*innen aus dem Projekt Anders Wohnen zeigen mit ihren neuen Werken und Installationen denn auch, wie komplex und uneindeutig Antworten auf Fragen nach zukünftigen Lebens- und Wohnformen heute ausfallen. So liegen utopisches und dystopisches Denken oftmals sehr nahe beieinander. Die Zukunft als eine bessere, sozial gerechte und ästhetisch durchdrungene zu sehen – und damit als positive Utopie zu betrachten – wird immer wieder auch gebrochen. Zweifel scheinen eine schöne heile zukünftige Welt grundlegend in Frage zu stellen; dystopische Aspekte sind in fast allen Arbeiten immer auch eingeschlossen.
Gerade hierin, dass unsere Zukunft als utopisch wie auch dystopisch aktuell gedacht wird, spiegelt sich die Verantwortung, mit der einer zukünftigen Weltvorstellung begegnet werden sollte.

Ihre
Katia Baudin