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Ein Haus zu bauen, ist dem Künstler Olaf Holzapfel keineswegs fremd. Immer wieder hat er sich mit traditionellen Bauweisen, mit Konstruktionsformen und unterschiedlichen Baumaterialien befasst. Auf ausgedehnten Reisen, die ihn bis in entfernte Landstriche wie Patagonien in Südamerika führten, hat er Bauformen kennengelernt, die von der Natur und Kultur eines Landes beeinflusst sind.
Haus Lange, 1927 bis 1930 entstanden, ist geprägt durch den International Style und einen Architekten, Ludwig Mies van der Rohe, der die Funktionalität des Hauses mit einer ästhetischen und sinnlichen Oberfläche überlagert hat. Diesem Haus pflanzt Olaf Holzapfel einen Raum ein, der die Architektur spiegelt und ihr zugleich widerspricht. Geschwungene Wandsegmente, aus Fachwerk und Reet gebaut, durchziehen die Halle und bilden im Kern einen kleinen Raum aus — eine Cella oder auch eine Zelle. Die abgerundeten Wände zeigen ihre Bauweise vor, ihr Material — Holz und Reet — vermittelt Natürlichkeit auch über das haptische Erleben und über den Geruch. Natur und Architektur stehen bei Mies van der Rohe zwar auch im Dialog, gehen jedoch nicht wie in der Arbeit von Holzapfel eine untrennbare Symbiose ein. Die Gefache und vor allem das Reet (Schilfrohr) stehen für eine traditionelle Handwerkstechnik im Hausbau. Mit dem ökologischen Bauen, dem sogenannten grünen Bauen, werden heute ‚neue alte‘, das heißt natürliche Baustoffe im Zusammenspiel mit ihrem direkten Umraum erprobt. War zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Standardisierung des Bauens und Überformung von Territorien ein visionäres Ziel für eine geordnete bessere Gesellschaft, so liegt vor der Folie des Klimawandels und der Umweltverschmutzung die Zukunft in einer eingepassten, individuellen und ökologischen Bauweise.
Mit der Cella, dem kleinen runden Raum in der Mitte der Wandkonstruktion, spielt der Künstler auf den inneren Hauptraum eines antiken griechischen oder römischen Tempels an. Dieser heilige Ort war der Gottheit vorbehalten und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Allein mit diesem Verweis auf das Göttliche wird der Moderne scheinbar ein Spiegel vorgehalten und nach ihrer Tragfähigkeit in der heutigen Zeit gefragt: Ist das Neue Bauen immer noch die Richtschnur, der Gott, dem es zu dienen gilt? Diese Cella in der Halle von Haus Lange hält aber auch ihre ursprüngliche Funktion aufrecht. Es ist ein abgeschotteter, stiller und exklusiver Ort. Das Reet dämpft die umgebenden Geräusche, die Enge des Raumes und die Nähe zum Material intensivieren die Erfahrung des Ichs. Es entwickelt sich ein Gefühl für das, was öffentlich und was privat ist. Die Frage nach der Bedeutung für eine Trennung von öffentlicher Zone und privater Sphäre wird hier explizit gestellt — in einer Zeit, in der die Allgegenwart digitaler Medien als existentiell angesehen wird. Wer traut sich heute noch ohne JPS oder Handy in den Wald oder die Natur? So kann dieser kleine innere Raum auch als Zelle verstanden werden, als eine Zelle, die vieles wieder zurück auf den Anfang setzt und die DNA neu zu formen ansetzt.
Olaf Holzapfel (*
1967 Dresden, Deutschland) begann zunächst ein Architekturstudium in Dresden bevor er zur Kunstakademie Dresden wechselte, wo er 2003 als Meisterschüler von Ralf Kerbach abschloss. Von 2001 bis 2002 war er am National Institute of Design in Ahmedabad, Indien. Aus der Auseinandersetzung mit Raum, mit architektonischen, urbanen, kulturellen oder sozialen Räumen entwickelt er Skulpturen, Malerei, Videos, Fotoarbeiten, Installationen wie auch Projekten. Er sucht die Verbindung zwischen Tradition und Moderne, zwischen der analogen und digitalen Welt in Strukturen und Zeichen. Olaf Holzapfel lebt und arbeitet in Berlin.
Sylvia Martin