Künstler*innen, Designer*innen, Architekt*innen

Apolonija Šušteršič
Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m², 2019

Ein Traum der Moderne war es, durch standardisiertes Bauen und funktionelle Architektur lebenswerten Wohnraum für jedermann und auf dieser Basis eine bessere Gesellschaft zu schaffen. Es waren Architekten wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe oder Le Corbusier, die Grundgedanken des neuen, sachlichen Bauens international vermittelten. Sie bereiteten den Boden für eine Stadtbauplanung, die vor allem in den 1960er und 1970er Jahren das Hochhaus und den Plattenbau als ideale, zukunftsträchtige Wohnform ansahen.

Die Architektin und Künstlerin Apolonija Šušteršič widmet sich mit ihrer Arbeit Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m² der Entwicklung des Neuen Bauens und dem Spannungsbogen, der sich dabei zwischen Utopie und Realität öffnet. Šušteršič implantiert den Grundriss eines 3-Zimmer-Apartments aus dem so genannten Mississippi Dampfer in den Grundriss von Haus Lange. Der Mississippi Dampfer wurde Mitte der 1970er Jahre gebaut und ist bis heute das einzige Hochhaus in Krefeld. Das dreizwanzig Stockwerke umfassende, knapp siebzig Meter hohe und 252 Wohnungen bergende Gebäude steht für eine extrem verdichtete Bauweise, die ansonsten im Stadtbild Krefelds nicht zu finden ist. Die Andersartigkeit und Verschlossenheit der Architektur, die gedrängte Bebauungssituation wie auch die bunte Mischung der Bewohner aus vielen unterschiedlichen Nationalitäten machen aus dem Hochhaus einen rätselhaften, schwer zugänglichen Ort. Apolonija Šušteršič zeigt nüchtern den Zuschnitt einer der Wohnungen. Das Verhältnis zum Wohnraum in Haus Lange deckt nicht nur die unterschiedlichen Dimensionen, sondern auch die darin eingeschriebenen verschiedenen sozialen Strukturen auf: Haus Lange hatte eine wohlhabende, gesellschaftlich etablierte Familie nach ihren individuellen Bedürfnissen erbauen lassen. Die Wohnung im Hochhaus ist als eine funktionale Einheit angelegt, in der jeder Zentimeter optimal genutzt wird. Im Haus Lange hingegen wird Raum als abstrakte Größe erfahrbar – unabhängig von den Funktionen der Zimmer. Das Wechselspiel zwischen menschlichem Körper, offenen Räumen und deren Materialität wie auch der Natur im Außenbereich bestimmt wesentlich den Charakter der Architektur von Ludwig Mies van der Rohe.

Apolonija Šušteršič  
Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m², 2019  
© Apolonija Šušteršič, Foto: Dirk Rose
Apolonija Šušteršič
Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m², 2019
© Apolonija Šušteršič, Foto: Dirk Rose
Apolonija Šušteršič  
Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m², 2019  
© Apolonija Šušteršič
Apolonija Šušteršič
Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m², 2019
© Apolonija Šušteršič
Apolonija Šušteršič  
Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m², 2019  
© Apolonija Šušteršič, Foto: Dirk Rose
Apolonija Šušteršič
Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m², 2019
© Apolonija Šušteršič, Foto: Dirk Rose

Mit der Verschränkung der Grundrisse komprimiert Apolonija Šušteršič eine weitreichende Stil- und Sozialgeschichte der Architektur der Moderne. Zugleich verweist sie im Spiel mit dem Grundriss auf die beiden konzeptuellen ortsspezifischen Arbeiten von Daniel Buren und Michel Asher, die 1982 Grundrisse der Häuser Lange und Esters im jeweils anderen Haus einbauten. Apolonija Šušteršič thematisiert also zugleich auch die kunsthistorische Dimension dieses Ortes. Sie bricht jedoch den Raum der Moderne auf, verweist auf Missverständnisse, die in der Moderne bereits angelegt sind. Und sie wendet sich dem öffentlichen Stadtraum mit seinen Bewohnern zu. So führt die Künstlerin die als Plakat zum Mitnehmen angelegte Proposal For The House Lange_Living Room = 89,19 m² Anfang nächsten Jahres vor Ort im Hochhaus weiter.

Apolonija Šušteršič (*1965 Ljubljana, Slowenien) studierte Architektur an der Universität in Ljubljana, Slowenien und bildende Kunst an der Reichakademie der bildenden Künste in Amsterdam. Aus der Befragung von architektonischen Räumen, sozialer Zusammenhänge und institutionellen Strukturen schafft sie soziale Orte der Begegnung. Aus der Verbindung von Architektur, Design und Kunst gehen Plattformen hervor, die eine Reflektion des Heute und des Morgen anstoßen. Der so neu entstandene Ort kann als Weiterführung des Kunstbegriffs der sozialen Plastik aufgefasst werden. Sie lebt und arbeitet in Lund und Ljubljana.

Sylvia Martin